Ist es nicht schön, wenn man sich noch wundern kann?! Wenn einem etwas auffällt – und man geht nicht rasch darüber hinweg, sondern bleibt stehen, hält inne, hört und sieht nochmal genau hin, fragt nach. Und am Ende wird man beschenkt und steht staunend und dankbar da. Ja, wer sich noch wundern kann, der ist noch nicht gänzlich abgestumpft. Der nimmt die Dinge nicht einfach gleichgültig hin, sondern widmet sich ihnen aufmerksam. Der reibt sich an Bildern, Worten, Ereignissen, Dingen, … und lässt sich gern von ihnen den Horizont weiten. Ulrike Wilke-Müllers Jahreslosungsbilder haben mich das in den vergangenen neun Jahren immer wieder aufs Neue gelehrt. Sie haben mir Mut dazu gemacht, genauer hinzusehen. Sie haben mich eingeladen, zu staunen über „Gott und die Welt“. Sie haben mir geholfen, das Wundern nicht zu verlernen. Und dafür möchte ich Ulrike Wilke-Müller an dieser Stelle einmal ausdrücklich danken! Da gab es immer so viel zu entdecken. Da wurde man stets reich beschenkt. Die eigenen Gedanken und die persönliche Sicht der Dinge wurden geweitet. Das gilt auch für ihr Bild zur Jahreslosung 2024. Aber diesmal habe ich mich als erstes über die Losung selbst gewundert. Ich hatte dieses Wort irgendwie anders in Erinnerung. Und tatsächlich: Martin Luthers Übertragung des ausgewählten Bibelverses unterscheidet sich etwas von der „offiziellen Version“ der Einheitsübersetzung. Beim Reformator lautet das Losungswort: Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen. Diese Fassung macht mich auf zwei Dinge aufmerksam: 1. Es geht um mehr als „nur“ unser Tun. Es geht um alles, was wir sind und was uns ausmacht, um unsere ganze Existenz. Auch unser Denken, Reden, Schweigen und Unterlassen ist also im Blick. Kein Lebensbereich ist ausgenommen. Das ist ein wichtiger Hinweis und eine Vertiefung der Jahreslosung (die sich im Übrigen ganz und gar mit dem griechischen Original deckt). 2. Es geht hier nicht einfach um eine Art „rosarotes Ideal“. Es geht nicht um irgendeine Liebe, sondern um die Liebe schlechthin. Es geht um jene Liebe, der Paulus in 1. Korinther 13 bereits ein wunderbares Lied gesungen hat. Es geht um die Liebe Gottes, die in Jesus sichtbar, greifbar, ja, Mensch wurde – und so längst im Leben derjenigen angekommen ist, an die der Apostel schreibt: Alle, die von dieser himmlischen Liebe „infiziert“ wurden, sollen sie weder hindern noch eindämmen. Diese göttliche Liebe soll sich vielmehr bei ihnen umfassend ausbreiten, in allem, bis in den hintersten Winkel und die letzte kleine Ritze ihres Lebens und der Welt um sie her: Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen. Gut, dass ich mich da gewundert habe und dem nachgegangen bin. Das hat mich schon im Vorfeld beschenkt. Und so wende ich mich nun auch endlich voller Neugier Ulrike Wilke-Müllers Bild zur Losung zu. „Für ein Wort über die Liebe ganz schön wenig ROT!“, ist mein erster Gedanke. Nur einige zarte ROTe Striche hier und dort; und ein paar winzige ROTe Punkte auf dem Herz: Es ist also alles noch am Werden mit der Liebe. Noch nicht perfekt. Aber wenn es gut läuft, dann wird es jeden Tag des neuen Jahres ein wenig mehr. Und seien es auch immer wieder nur „Liebes-Spritzer“ – sie sind in jedem Fall besser als nichts! Berechtigte Hoffnung auf solch eine „Liebes-Ausbreitung“ besteht ja wohl. So deute ich jedenfalls mal das kräftige GRÜN, das das Bild dominiert. Die Farbe ist hier so frisch und lebendig. Da wird deutlich, dass da wirklich etwas wächst. Eine GRÜNE, bewegte Umgebung breitet sich aus, rund um das Herz herum. Sie wird von oben her durchflutet von GELBem und ORANGEm Sonnenlicht. Und: Genügend BLAUes Wasser ist am unteren Bildrand auch vorhanden, damit wirklich etwas gedeihen kann. Vielleicht ist das Wasser ja aber auch nur so BLAU, weil sich in ihm der bewölkte Himmel spiegelt?! Der Himmel, der oben am Bild gar nicht zu sehen ist. Der Himmel, der aber doch im Grunde für all das Wunderbare verantwortlich ist, das auf diesem Bild geschieht. Meine Augen schweifen jetzt über die verschiedenen Farbflächen des Bildes. Abgesehen vom WEISSen Kreuz, dem Herz und den beiden großen Händen (den drei Motiven, die das Bild dominieren), sind diese Bereiche wenig gegenständlich, wie so oft bei Ulrike Wilke-Müller. Aber gerade das regt ja so wunderbar die Fantasie an und lässt den Betrachter auf Entdeckungsreise gehen. Da sehe ich: GELBe Sonnenpunkte/Blumen – einen kleinen BLAUen Smiley – Umrisse einer gefüllten Schale, eines Kelchs – die Andeutung eines ROTen Hügels (mit Kreuz und Krippe?) – einen kleinen ROTen Stern – einen hastig skizzierten ROTen Ichthys-Fisch – einen ebenfalls ROTen Vogel, der im sonnendurchfluteten Dickicht sein (Liebes?)Lied singt – zwei Menschen unterwegs zu einer Stadt, über der Sonne und Mond zugleich leuchten – die große Silhouette eines Menschen in einem langen, HELLen Gewand, der sich einem anderen Menschen zuwendet, … Und: Da ist noch viel, viel mehr. Wer sich – vielleicht mit anderen zusammen – etwas Zeit nimmt und genau hinsieht, der kann da gemeinsam manches entdecken: Lauter Hinweise darauf, wie sich die Liebe Gottes zu uns immer noch Bahn bricht, auf vielfältige Weise, einer Explosion in Regenbogenfarben gleich. Am Ende landet man aber immer wieder beim Kreuz, beim Herz und bei den beiden Händen, die das Herz halten. Wessen Hände sind das eigentlich – GRÜN, wie die eines bekannten, starken Comic-Superhelden?! Ich glaube, es sind nicht meine oder unsere Hände. Die Jahreslosung erschöpft sich nicht in dem Zuruf: „Nimm Dein Herz in die Hand und versuch die Welt langsam, aber sicher, ein wenig heller zu machen.“ Nein. Mir scheint, es sind Gottes Hände. Der gleißend HELLe, WEISSe Lichtschein, der Hände wie Herz umgibt, lässt mich diesen Schluss ziehen. Es sind Gottes Hände. Und das Herz, das sie halten, ist ein doppeltes: Gott zeigt uns zum einen sein eigenes Herz. Von Anfang der Welt her, selbst in alten „Regenbogen-Zeiten“ (vgl. 1. Mose 9) schlug es schon für uns. In Jesus hat er uns seine Liebe dann aber vollends gezeigt. Das Kreuz, an dem der Sohn Gottes für uns starb und das aus dem Herz himmelwärts herauswächst, zeigt es uns. Und wenn der Vater im Himmel dann Dein und mein versteinertes Herz in seine guten, sanften, starken, liebevollen Hände nimmt. Wenn er unser Herz behutsam ins lebensspendende Wasser der Taufe taucht. Wenn sein Geist an unserem Herzen wirkt. Wenn Gottes Sohn es aufsprengt, dort einzieht und es zu seiner Wohnung macht. Dann kann es gelingen, dass auch wir Gottes Liebe in die Welt tragen und alles in dieser Liebe geschehen lassen. Da werden wir uns wundern, zu was wir fähig werden aus Gottes Kraft. Bevor Jesus in diese Welt kam, war sie vollkommen dunkel. Trotz der Wunder und der Schönheit, die Gott in seine Schöpfung hineingelegt hatte, wäre ein gemaltes Bild dieser Welt durch und durch schwarz und finster gewesen. Doch: In Jesus kam Gottes Licht und Gottes Liebe in diese Welt, SEINE Hilfe und Rettung. Und durch die, die dem Sohn Gottes begegnet sind und mit ihm leben, wollen sich Gottes Liebe und sein Licht nun immer noch weiter ausbreiten, aus himmlischer Kraft heraus, jeden Tag ein Stückchen mehr, überall. Nötig ist das allemal. Denn immer noch gibt es ja viel zu viel Dunkelheit um uns her. Deshalb ist es gut, wenn die Jahreslosung auch Dich und mich daran erinnert, auf diesem Weg mit Jesus weiterzugehen: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. – Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen. An jeder kleinen Stelle, wo das gelingt, wird es ein gutes Jahr 2024 werden. Möglichkeiten gibt es so viele – in unserem Denken, Reden, Schweigen, Tun und Lassen. Und: Berechtigte Hoffnung, dass da was wird, dürfen wir haben. Ulrike Wilke-Müller stellt es uns farbenfroh und gewiss vor Augen. Legen wir also unsere Herzen nur getrost in Gottes Hände. Und am Ende werden wir uns wundern, was da werden wird. Wir werden staunend und beschenkt und dankbar dastehen. Und andere mit uns.